Kirche

Die St.Veit-Kirche zu Barnstorf - über Jahrhunderte auch Kirche zum Heiligen Kreuz genannt - steht der Sage nach an einem Platz, auf dem in früherer Zeit ein Kreuz gestanden haben soll, an dem die Barnstorfer Bevölkerung betete. Die Brüder v. der Eck, die in der Ortschaft Dreeke begütert waren, sollen die Stifter der heutigen Kirche gewesen sein. Sie hätten für den Kirchenbau ihr gesamtes Vermögen verbraucht und seien danach total verarmt in einen Krieg gegen die Heiden gezogen. Die Ziegelsteine zu dem Bau sollen im sogenannten "Tegelgrund" im Düster Holz gebrannt und durch die "Steinfurt" in der Hunte - zwischen Düste und Rechtern gelegen - nach Barnstorf transportiert worden sein. Soweit die Sage. Aus den historischen Daten ergibt sich das folgende Bild.

Die Geschichte

Das Kirchspiel Barnstorf gehört zu den ältesten Pfarreien des Huntegebietes. Es ist anzunehmen, daß es eine der Kirchen ist, die von König Ludwig dem Deutschen durch die Urkunde vom 20. März 855 mit der Missionszelle Visbek dem Kloster Corvey zugeschlagen wurden. Nach den corveyischen Schenkungsregistern schenkte ein Edler Folkard zwischen 890 und 900 n. Chr. der Abtei Corvey einen Hof von 30 Jück mit dessen Bewohnern zu Barnstorf. Dieser Hof ist als der Ursprung des corveyschen Haupthofes in Barnstorf anzunehmen, auf dem dann die Errichtung einer Kirche erfolgte. (Nach dem Capitulare von Paderborn aus dem Jahre 782 durften nämlich ohne eine entsprechende Ausstattung mit Grundbesitz und Menschen keine Neugründungen von Kirchen im fränkischen Machtbereich vorgenommen werden). Eine ältere Schenkung - leider undatiert - ist in den corveyschen Registern verzeichnet, und sie läßt die Gründung der Kirche zu Barnstorf als Urpfarrei im südlichen Teil des Lerigaus schon vor der ersten zeitlichen Erwähnung um 890 wahrscheinlich erscheinen. Das Patronat stand bis zur Reformation dem Kloster Corvey zu, dessen Schutzpatron St. Vitus auch diese Kirche geweiht wurde. Sie gehörte zur Diözese Osnabrück und unterstand dem Archidiakonat des Probstes der Kollegiatskirche zu Mariendrebber.

Urkundlich erwähnt wird ein Pastor in Barnstorf im Jahre 1285 zum ersten Male. Aller Wahrscheinlichkeit nach war er schon Geistlicher an der Kirche in ihrer heutigen Gestalt; denn um die Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert werden im Weser-Ems-Dreieck im gleichen Stil des spätromantischen Backsteinbaues noch mehrere Kirchen errichtet (Verden, Mandelsloh). Im Kirchenkreis Diepholz ist die St.Veit-Kirche die älteste und die einzige, die in rein romanischem Stil erbaut ist.

Das Äußere

Quelle: Andreas Harzmeier
Der quadratische Turm hat eine Seitenlänge von ungefähr 9 Metern. Er ist in seinem unteren Teil aus Findlingen errichtet, geht dann in ein Ziegelmauerwerk über, das in halber Höhe des Turmes zu einem Achteck wird und eine achteckige, schieferbedeckte Spitze trägt. Die Höhe beträgt 42 Meter. Das Kirchenschiff ist 26 Meter lang und hat 7 Meter hohe Mauern. Im Osten beschließt eine halbrunde Apsis das sehr wehrhaft wirkende Gebäude. Das sich jetzt darbietende äußere und innere Bild der Kirche ist weitgehend identisch mit der ursprünglichen Form der Kirche. Es wurde mit der Restaurierung im Jahre 1963 wiedererstellt.

Im Laufe der Jahrhunderte war das Gotteshaus des öfteren nach dem jeweiligen Zeitgeschmack verändert worden. Es wurden größere Fenster eingebrochen, Türen versetzt und eine Empore eingezogen. Einsichtige Kirchenvorsteher verhinderten im Jahre 1893 den Plan, die gesamte Kirche mit Zement zu verputzten. Als einziges Überbleibsel einer nicht gelungenen Restaurierung zeigt sich das Eingangsportal aus Klinkersteinen, das um die Jahrhundertwende eingebaut wurde anstelle des originalen tiefliegenden Rundportals aus Sandstein mit zwei romanischen Säulchen und rechteckig eigekerbten Pfeilern. Die "Brauttür" an der Nordseite und eine weitere Tür an der Mitte der Südseite sind heute vermauert.

Das Innere

Quelle: Privat
Man betritt die Kirche durch die niedrige kreuzrippengewölbte Turmhalle und erlebt den Eindruck einer spätromanischen Kirche des Mittelalters. Er wird vor allem bestimmt durch die dreijochige Halle mit der abschließenden halbrunden Apsis, durch die Schlichtheit der gestuften Vorlagen und die stark gebüsten Kreuzgratgewölbe in Verbindung mit den schmucklosen Fensteröffnungen. Die verputzten Bachsteinmauern zeigen auf weißem Grund eine mittelalterliche Malerei, die die konstruktiven Elemente des Bauwerkes in reichhaltigen Variationen unterstreicht. So sind die Wandpfeiler durch eine graue - weißverfugte - Quaderung hervorgehoben. Das Kaffgesims bildet ein weiß-rotes Band, das von einer gelbroten Bordüre umgeben ist. Dadurch erhält der gesamte Raum ein stabilisierendes Element, das wiederum in reizvoller Art durch die Umrahmung der Fenster mit den von kleinen Säulen getragenen Halbbögen unterbrochen wird.
Quelle: Fritz Radtke
Die Schild- und Gurtbögen der Gewölbe sind als Marmorinkrustationen bemalt. Die Scheinrippen tragen ein schwarzweißes Winkelmotiv, das von verschiedenartigen Ranken- und Palmetten-Streifen begrenzt wird und enden jeweils in einer Zirkelschlagrosette, die im mittleren Joch zusätzlich mit Kandelaberbäumchen verziert ist.

Die mittelalterliche Ausmalung ist bei der Restaurierung von 1963 wiederentdeckt worden und gibt uns heute auch in farblicher Hinsicht das Bild wieder, das die Kirche zur Zeit ihrer Erbauung vor mehr als 700 Jahren bot.
Leider ist von den ursprünglichen Einrichtungsgegenständen nichts mehr erhalten. Sie dürften bei einer Brandschatzung der Kirche durch Truppen des Bistums Münster im 16. Jahrhundert zerstört oder verschleppt worden sein. Nur der im Garten des Pfarrhauses I aufbewahrte, stark zerstörte frühgotische Taufstein könnte noch dazu gehört haben.

An der Nordseite der Turmhalle ist der Altar angebracht worden, der bis 1963 in der Apsis stand. Er gehört mit dem Taufstein und der Kanzel zu einer Barockausstattung, die - wahrscheinlich aus einer Werkstatt stammend - um das Jahr 1690 in der Kirche aufgestellt worden ist. Das Altarbild ist sehr dunkel gehalten, so daß Einzelheiten nur bei genauer Betrachtung zu erkennen sind.

Vor der Silhouette Jerusalems ist der gekreuzigte Christus zu sehen als Sieger über den am Boden liegenden Drachen der Sünde und als Bezwinger des Todes, der hier versinnbildlicht ist durch einen Totenkopf. Die Altarwand ist früher einmal verkürzt worden, wahrscheinlich um den Altar von seinem ursprünglichen Platz vor der Apsis auf seinen späteren Platz in der überhöhten Apsis verbringen zu können. Die untere Rahmenleite des Altarbildes trägt die Inschrift Röm. 8, 32: "Gott hat seines eigenen Sohnes nicht verschonet". Direkt darunter liest man: 1. Buch Mose 22, 12: "Du hast deines einzigen Sohnes nicht verschonet um meinetwillen". Dies ist der Bezug auf die Darstellung der Opferung Isaaks durch Abraham, die auf der Predella zu sehen ist.

Wie hier die Bilder, so beziehen sich auch die figürlichen Darstellungen zu beiden Seiten des Altarbildes auf die Verbindung des Alten zum Neuen Testament. Sie stellen dar: Moses, den Verkünder des Alten Bundes, und Paulus mit Bibel und Schwert als den Verkünder des Evangeliums von Jesus Christus. Alles ist von rankendem Blattwerk umgeben, das über dem Altar in drei Figuren - Glaube, Liebe, Hoffnung symbolisierend - endet, wobei als die Figur der Liebe Maria mit dem Kind den krönenden Abschluß bildet.
Quelle: Fritz Radtke
An der Südseite befindet sich ein Epitaph des Brigadiers v. Belling, der nach 1700 Besitzer des freien adeligen Gutes Barnstorf war. Der Opferstock in der Turmhalle datiert aus dem Jahre 1696 und ruht auf der Figur des armen Lazarus, dem die Hunde die Schwären lecken. Die Schale ist von barockem Schnitzwerk umgeben. An der Tür ein Vers aus Sprüche 19, 17: "Wer sich deß armen erbarmet, der leihet dem Herrn, der wird ihm wieder guts vergelten".

Beleuchtet wird die Turmhalle durch einen Leuchter aus Messing vom Ende des 18. Jahrhunderts.

Im Kirchenschiff ist an dem Nordwestpfeiler die neue Orgel installiert worden. Die Tür zu ihr zeigt das Wappen der Familie Goertz, die das adelige Gut Dörpel innehatte. Gegenüber an der Südseite hängt ein Bild, das, in naiver Mainier gemalt, das Heilige Abendmahl darstellt.
An der Südseite, beim Übergang des Kirchenschiffes in die Apsis steht die barocke Kanzel. Ihr Gehäuse zieren 4 Figuren. Sie stellen Martin Luther und Christus mit Dornenkrone, Petrus und Paulus dar. Der Rand des Deckels trägt die Inschrift: "Der Mensch ein armer Sünder ist, darum ist kommen Jesus Christ, davon Luther der treue Mann zu lehren uns Befehl getan, wer anders lehrt, der ist verkehrt." Der letzte Satz erinnert möglicherweise an den Streit, der zur Synode von Diepholz im Jahre 1571 führte, auf der festgelegt werden sollte, daß in der Graftschaft Diepholz von allen Geistlichen die Lehre Martin Luthers gemäß der Lüneburgischen Kirchenordnung zu lehren sei. Pastor Kannegeter aus Barnstorf war der energischste Vertreter dieser Richtung.

Die halbrunde Apsis ist von drei kleinen romanischen Fenstern durchbrochen, zwischen deren gemalten Säulen 6 Apostelfiguren aus dunkelbraunem Holz mit Resten alter Bemalung stehen. Der Sage nach soll sie ein Schäfer im Moor geschnitzt haben.

Ein 2,90 m hohes, gotisches Tabernakel schmückt die Nordseite der Apsis. Der schlichte Altartisch in der Mitte wird überragt von einem Kruzifix aus dem 15. Jahrhundert.

Ein barockes Taufbecken (1690), das an seinem Fuß die Taufe Jesu durch Johannes den Täufer darstellt, vervollständigt die Kultgegenstände dieses ehrwürdigen Gotteshauses.

Das Geläut

Quelle: Andreas Harzmeier
Das Geläut hat zur Zeit drei Glocken. Eine davon ist im Jahre 1957 gegossen, wurde 1974 in Barnstorf aufgehängt und läutet auch als Gebetsglocke. Die älteste und größte Glocke aus dem Jahre 1519 hat alle Kriege überstanden. Sie trägt die Inschrift: "Maria mater gracie mater misericordie tu nos ab hoste proteghe in hora mortis. Suscipe anno domini MCCCCCXIX." (Maria, Mutter der Gnaden, Mutter der Barmherzigkeit, schütze Du uns vor dem Feind in der Stunde des Todes. Anno domini 1519). Eine aus dem Jahre 1543 stammende Glocke wurde im 1. Weltkrieg eingeschmolzen. Am 18. Dezember 1748 wurde während eines Gottesdienstes der Turm von einem Blitz getroffen, eine der Glocken stürzte vom Glockenstuhl, zerschmetterte die Orgel und erschlug ein Gemeindeglied. Nach dem 2. Weltkrieg wurden 2 Eisenschrottglocken angeschafft, die aber bald schadhaft wurden und durch ihr Gewicht den Turm in seiner Stabilität bedrohten. Sie sind nun vor der Kirche aufgestellt. Die Kirchturmuhr wurde im Jahre 1877 angebracht. Sie ist inzwischen ersetzt worden durch ein Uhrwerk aus dem Jahre 1946.

Die 3. Glocke wurde 1978 gegossen und enthält die Inschrift "SUCHET DEN HERRN, SO WERDET IHR LEBEN". Als Symbol trägt sie das Kreuz auf der Weltkugel. Damit wird ausgedrückt: Überall auf der Welt versammeln sich Christen im Namen Jesu zum Gottesdienst. Das Kreuz ist Zeichen der Versöhnung für die Welt und als Zeichen der ev. Jugend mahnt sie an den Auftrag des Dienstes der Kirche an der Jugend.
Auf dem alten Friedhof um die Kirche herum sind noch einige alte Grabsteine erhalten. Er ist zu einer Grünanlage gestaltet, von der aus man im Nordosten das Pfarrhaus II und im Südwesten das Pfarrhaus I erreicht, die beide im Fachwerkstil erhalten sind. Im Stil dazu passend wurde im Jahre 1975 im Garten des Pfarrhauses I von der Kirchen- und politischen Gemeinde Barnstorf ein Jugend- und Gemeindezentrum errichtet, durch das die Möglichkeiten der kirchlichen Arbeit erweitert werden konnten.

So steht die St.Veit-Kirche schon seit rund 800 Jahren auf dem Kirchhügel zu Barnstorf und bildet den weithin sichtbaren Mittelpunkt des "Kaspel", wie das Barnstorfer Kirchspiel - eines der ältesten unseres Raumes - in der Umgebung genannt wird.

Text: Dr. Ulrich Müller